Berufung zum Dienst
Im Folgenden möchte ich berichten, wie der Herr mich für den Dienst in der Ukraine berufen hat. Aufgrund Gottes Gnade darf ich bereits seit über 20 Jahren mit vielen Waisenkindern, Witwen, Pflegebedürftigen in der Ukraine und nun auch mit geflüchteten Menschen aus der Ukraine in Deutschland arbeiten.
Wie hat Gott mich in diesen Dienst berufen? Im Jahre 1980 fing mein Militärdienst in der ehemaligen Sowjetunion in der Stadt Dnjepropetrowsk (Ukraine) an. Ich liebte es christliche Lieder zu singen und damit von unserem Heiland zu zeugen. Mit großem Interesse hörten die Soldaten diese Lieder und bei einigen Liedern sangen sie sogar mit. Mein Herz war voller Freude und Jubel, wenn die Soldaten mit mir sangen.
Man muss anmerken, dass das in der sowjetischen Armee der 80-er Jahre geschah, dem Höhepunkt der religiösfeindlichen Propaganda. Dem Satan gefiel es nicht, dass ich die Soldaten dazu ermutigen konnte mitzusingen, aber der Herr gab mir den freimütlichen Geist für das Evangelium zu zeugen und für den Herrn zu singen.

Die Soldaten stellten viele Fragen und so entstanden viele gute Gespräche über das Evangelium. Leider wendete sich das Blatt recht schnell und der Satan konnte seine bösen und grausamen Pläne durchsetzen. Nach einiger Zeit waren wir mal wieder im Wald und ich sollte alleine singen. Der Sergeant gab mir dabei die Befehle mich aufs Gras oder in den Dreck zu schmeißen. Die ganzen Soldaten beobachteten dieses „Spiel“ und lachten mich aus.
In dieser Situation wurde mein Glaube geprüft. Es war große Gnade, dass ich mit 13 Jahren den Heiland in mein Leben aufnehmen konnte. Mit 16 Jahren ließ ich mich taufen und von ganzem Herzen liebte ich den Herrn, der für mich am Kreuz sein Blut vergoss. Ich diente mit meinen musikalischen Gaben in der Jugendgruppe und in der Gemeinde. Ich verbrachte viel Zeit zum Lesen der Bibel. Es rüstete mich geistlich auf und gab mir Kraft für die Glaubensprüfungen in meinem Leben. Als junger Christ konnte ich noch nicht erahnen, was alles auf mich zukommen würde. Heute bin ich fest überzeugt, dass der Herr mich vorbereitete, damit sein heiliger Name verherrlicht werde konnte und viele russische, ukrainische, usbekische, kirgisische, armenische und andere Soldaten von ihm hörten.
Ich wurde oft zum Gespött der Soldaten und eines Tages bekam ich einen festen Schlag ins Gesicht von einem älteren Soldaten. Es gab viele Verhöhnungen dieser Art, ausgenommen das Bettenmachen, das Suppenkesselspülen und das Putzen von Stiefeln der älteren Soldaten. Natürlich, solche „Dienste“ müssten auch andere jüngere Soldaten ableisten, aber mir als Christ ließ man mehr davonzukommen. Der Herr gab mir die Kraft alles ohne Murren zu ertragen, bis zu einem Tag, wo die letzte grausame Verhöhnung passierte.
Eines nachts als sich in der Kaserne nur einer von den Dienstoffizieren befand, verließen einige Soldaten eigenmächtig das Territorium. Sie brachten Alkohol mit und waren nachher stark betrunken.
Üblicherweise benutzt der Satan solche Momente, um seine schreckliche Pläne umzusetzen. In dieser Nacht wollten die Betrunkenen nur eins und zwar diesen „heiligen Baptisten“ fertig zu machen. Nur dank der Güte Gottes bin ich nach starken Folterungen, Schlägen und von Zigaretten zugefügten Brandwunden am Leben geblieben. Sie wollten erreichen, dass ich mich von meinem Glauben an Gott absage.
Der Herr wusste alles und hatte für mich einen Rettungsplan parat, damit die Misshandlungen endlich aufhörten. Ich glaube, dass auch die Gebete meiner Eltern, Freunden, Gemeindemitgliedern dazu beigetragen hatten. Gott ließ nur so viel zu, wie viel ich ertragen konnte. Ihm sei die Ehre, dass ich in dieser verhängnisvollen Nacht standhaft blieb.
Ich kann meinen körperlichen Zustand am folgenden Morgen nicht beschreiben: starke Schmerzen (Folge der Schläge und Verbrennungen) spürte ich besonders im Kieferbereich. Dazu kam noch der Gedanke, dass es nur der Anfang sei und das Schlimmste noch kommen würde.
In diesem Zustand nahm ich an der Morgengymnastik teil, ich frühstückte und ging zur Arbeit. Ausgerechnet an diesem Tag besuchte ein hoher General aus Kontrollzwecken unser Testgebiet. Meine Kameraden drohten mir und ich bekam große innere Kämpfe: Wie soll ich am besten handeln? Ich entschloss alles zu erzählen. Es ergab sich eine günstige Gelegenheit als der General und die Offiziere in die Nähe des Autoparks kamen. Ich lief ihnen entgegen und teilte ihnen diesen Fall mit. Der ganze Zug musste sich nach dem Alarm Kommando aufstellen. Die fünf „Täter“ wurden aufgerufen, festgenommen und in die Vollzugsanstalt nach Dnjepropetrowsk gebracht. Mich transportierte man unter Bewachung ins Krankenhaus.
Nach einiger Zeit als sich mein Zustand verbessert hatte, brachte man mich zu unserer Sanitätsstelle. Da befand ich mich fünf Monate. Zwei Soldaten bewachten mich Tag und Nacht, damit keiner auf die Idee kam, einen Racheakt an mir auszuüben. Es war eine sehr schwere Zeit für mich, oft musste ich zum Verhör, zum Untersuchungsrichter oder zur Gegenüberstellung mit den verhafteten Soldaten, die auf das Gericht warteten. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie man mich zum Gefängnis brachte, um mich mit den Tätern zu konfrontieren.
Ein unheimliches Gefühl: Schwermetalltor wird vor dir geöffnet und hinter dir wieder geschlossen. Danach gingen wir durch mehrere Metalltüren mit mehreren Schlössern, bevor man in das Zimmer gelang, wo die Konfrontation mit den beschuldigten Soldaten stattfand. Man führte zwei von diesen Soldaten rein. An uns
stellten die Untersuchungsrichter mehrere Fragen und ließen uns später alleine. Die Schwerverbrecher ohne Bewachung aus den Augen zu lassen war eigentlich streng verboten. Die zwei Soldaten konnten alles Mögliche mit mir anstellen. Aber so etwas hat Gott nicht zugelassen, obwohl sie in Wut gerieten und mir drohten. Sie meinten, dass meine Aussagen falsch sind, dass keiner mir glauben würde, weil sie zu fünf sind und ihre Aussagen glaubhafter klingen würden. „Du kommst hinter Gittern, dich machen wir fertig“ waren ihre Drohungen. Diese Konfrontation grenzte an meinen seelischen Kräften. Viele Grübeleien und starke Aufregungen führten dazu, dass ich Tage und Nächte durchschlief. Ich wachte nur auf, um etwas zu Essen oder auf die Toilette zu gehen. Die ganze Zeit stand ich unter Bewachung.
Einmal verließen die Soldaten die Wache und ins Zimmer kam ein „alter“ Soldat kaukasischer Nationalität, ein Freund der Täter. Gott sei Dank schaffte er es nicht, sich für seine verhafteten Kameraden an mich zu rächen. Als die Wache zurückkam, erkannten sie die Gefahr und meldeten es direkt weiter. Dieser „Kamerad“ ist ebenfalls verhaftet worden.
Ich werde nie vergessen, wie der Stellvertreter des Kommandierenden in politischen Angelegenheiten mich wieder mal vom Untersuchungsrichter zurückbrachte. Die verschiedenen Aussagen von den Tötern und von mir müssten geklärt werden. Er übergab mich an die Wache weiter, kurze Zeit später hörte ich die Sirene des Krankenwagens. Hinterher teilte man mir mit, dass dieser Major einen Herzinfarkt erlitt und infolge dessen verstarb. Er trug an erster Stelle die Verantwortung für den Zwischenfall in dieser Militäreinheit. Sein Herz ertrug die ganze Belastung nicht. Diese Nachricht erschütterte mich so sehr, dass ich nur noch eins wollte, alles vergessen und im Schlaf versinken. Auch in dieser Situation konnte nur der Herr mich wiederaufrichten und durch die vielen Gebete gab er mir wieder Kraft und Vertrauen.
Eines Morgens bekam ich den Befehl zum Oberst zu kommen. Er schimpfte, schrie mich an und beschuldigte mich an einem Vergehen. Ich verstand erstmal nicht, was Sache ist. Nachher sagte er, dass meine Mutter zu Besuch kam und fragte, warum ich ihr im Brief alles verraten habe. Ich antwortete, dass ich von diesem Fall kein Wort fallen ließ. Als Christ musste ich für meinen Glauben leiden, aber das Herz meiner Mutter spürte den Schmerz ihres Kindes. „Sollten Sie ihrer Mutter etwas von dem Zwischenfall erzählen, landen Sie im Knast. Und wir finden dafür einen Vorwand“ meinte er zu mir. Nach dem Gespräch führte man mich in einen Raum zum Wiedersehen mit meiner Mama und meiner Schwester.
Meine Mutter küsste und umarmte mich und sie fing an mich abzutasten, um sich zu vergewissern, dass ich keinen Gipsverband trug und keine Verletzungen habe. Die übliche Erlaubnis für ein freies Wiedersehen mit Verwandten außerhalb der Kaserne wurde mir untersagt. Nur drei Mal fand das Treffen im Besucherzimmer statt. Aus Angst, dass ich alles meiner Mutter erzählen würde, befahl man einigen Soldaten diesen Raum zu verwanzen. Auf diese Weise wurden unsere Gespräche abgehört. Ich ahnte das und lenkte die Fragen meiner Mutter geschickt ab. Sie wollte wissen, was mit mir los ist: „Ich spüre, hier ist etwas nicht in Ordnung“. Es war nicht einfach meine Mama zu überzeugen, dass es mir gut gehe und dass Gott alles zum Besten führen wird. Schweren Herzens fuhren die Beiden wieder nach Hause. Sie waren froh, dass sie mich wiedersehen konnten und ich am Leben war.
Im Dezember fand dann das Gericht statt, der Zwischenfall ereignete sich aber bereits im August. Es war eine geschlossene Gerichtsverhandlung. Nur die Verwandten von den Beschuldigten durften dabei sein. Am Ende durfte ich auch noch was sagen, ich erwähnte, dass das Hinwegkommen über die geschehenen Dinge mir sehr schwer fallen wird, „aus meinem Leben kann ich das nicht einfach streichen, aber weil ich ein Christ bin und Gott mir vergeben hat, vergebe auch ich den beschuldigten Soldaten.“ Der Staatsanwalt las später im Urteilsspruch: „Wir haben das Gesetz und wir richten nach der Strenge des Gesetzes.“ Die Beschuldigten bekamen zwischen 2,5 bis 4 Jahren Freiheitsentzug.
Meinen weiteren Wehrdienst leistete ich in einer anderen Sowjetischen Republik in der Stadt Baku ab. Da ich über längere Zeit viel im Bett gelegen hatte, konnte ich fast nicht mehr gehen. Erschrocken stellte ich
fest, dass mir sogar einfache Schritte große Schwierigkeiten bereitete. Sehr schnell wurde ich müde. Mich wieder an das alltägliche Soldatenleben zu gewöhnen, fiel mir sehr schwer. Nach dem Erlebten ließ ich alles hinter mir, aber aus dem Gedächtnis konnte ich es nicht wegwischen. Ich lernte mit der Vergangenheit zurecht zu kommen. Manchmal im Laufe des Tages oder nachts im Traum kam wieder alles hoch. Nur der Herr gab mir Kraft, dieses innere Leiden zu besiegen.
Nach dem Ende des Militärdienstes bat ich Gott ernsthaft, dass er mir ermöglicht dem ukrainischen Volk seine grenzenlose Liebe zu zeigen. Dieses Volk habe ich liebgewonnen! Von Herzen bin ich dankbar, dass der Heiland meine Gebete erhört hat. Er sprach zu mir: „Du hast zu mir gebetet und ich hörte dein Flehen. Gehe hin, zu den Waisenkindern und Jugendlichen in die Internate und Pflegeheime und zeuge von der Liebe des Herrn. Sie sollen nicht auf den sündigen Wegen bleiben, den ihre Vorfahren eingeschlagen haben.“ Meine Gebete bekräftigte die Christliche Gemeinde in Düren und segnete mich für diesen Dienst. Dank der Güte unseres Vaters dürfen wir schon seit mehr als 20 Jahren in einigen Kinderheimen und Internaten in der Ukraine dienen und das christliche Sommerlager für die Kinder durchführen. In dieser Zeit spendete uns der Herr sehr viel Segen. Tausende von diesen Kindern hörten die Gute Nachricht von unserem Heiland. Wenn ich über die Größe des Planes Gottes in meinem Leben nachdenke, will ich allein ihm Lob, Preis und Dank geben! So wunderbar sind Gottes Pläne im Leben derer, die ihn von Herzen lieben. Zuerst schickt er uns in die Schule zum Lernen, danach leisten wir die Prüfungen ab. Und schließlich vertraut er uns einen Dienst zu seiner Ehre an.
Auch in den letzten Jahren hatte ich manche Schwierigkeiten, beunruhigende Gedanken und innere Kämpfe. Aber wie auch Apostel Paul möchte ich eins bezeugen: Ich vermag alles durch den, der mich stark macht, Christus. (Phil. 4,13)
Und vergesst nicht,
Gutes zu tun und
einander zu helfen!
Heb 13,16a
Adresse
Am Wehr 44
52355 Düren